Diesen Blogartikel über eine besondere Form einer Krisenaufstellung schreibe ich Anfang März 2022. Der Russisch-Ukrainische Krieg eskalierte wenige Tage vorher durch die Invasion russischer Truppen an der Ukraine. In meiner Arbeit, egal ob es sich um Einzelaufstellungen oder Gruppenseminare handelt, ist seitdem der Schock und die Angst deutlich zu spüren. Alte Kriegstraumata zeigen sich.

In einem Gruppenseminar Familienaufstellungen Köln folge ich meinem Impuls und frage die Teilnehmer*innen, ob sie Lust haben, eine besondere Aufstellung zu machen.

Alle Teilnehmer*innen sind sofort dabei (Danke!). Zusätzlich erklärt sich eine Teilnehmerin (Danke, D.!) bereit, die entstehenden Dialoge und Aussagen der Stellvertreter*innen mitzuschreiben. So liegt mir eine Mitschrift vor, die für mich so spannend wie ein Krimi ist und mir ermöglicht, hier von dieser besonderen Form der Konfliktaufstellung zu erzählen. 

Wie gehe ich in dieser besonderen Aufstellung vor?

Wir machen eine verdeckte Aufstellung. Das bedeutet, dass alle Stellvertreter*innen einen zusammen gefalteten Zettel bekommen, auf dem steht, für was sie die Stellvertretung übernehmen. Ich bitte alle, nicht nachzuschauen, was auf dem Zettel steht, sondern diesen in die Hosentasche zu stecken. Und ihren Impulsen zu folgen, in den Raum zu gehen und zu spüren, wo es sie hinzieht, mit wem sie in Verbindung sind, usw.. 

Wenn Du die Aufstellungsarbeit noch gar nicht kennst, gibt es auf meiner Seite Systemische Aufstellungen viele Antworten und Erläuterungen. Oder Du schreibst mir einfach Deine Fragen! 

Auf den Zetteln stehen folgende Begriffe für die Stellvertreter:

Liebe, Heilung, Angst, alte Verletzung, Schmerz, Ukraine, Russland und Macht. Es sind also 8 Personen in dieser Aufstellung beteiligt. 

Krisenaufstellung zum aktuellen Weltgeschehen

Krisenaufstellung – der erste Eindruck

Die Teilnehmenden wissen ja zunächst nicht, für was oder wen sie stehen. Es ist viel Unruhe im Raum, alle versuchen irgendwie, einen stimmigen Platz zu finden und probieren verschiedene Positionen aus. Ich frage nach den Befindlichkeiten der Beteiligten und es fallen Sätze wie:

„Mir ist kalt.“ „Ich friere.“ „Ich fühle große Trauer.“ „Ich habe einen Schauer durch den Körper.“ 

Eine Stellvertreterin allerdings bleibt von Anfang an auf ihrem Stuhl sitzen und bewegt sich nicht. Sie fragt mich, ob sie aufstehen muss. Es gehört zu ihrer Rolle, das sie gar keinen Bewegungsimpuls hat und sie sich nicht beteiligt fühlt. Ich bekräftige sie, genau dem zu folgen, was da ist. Und so sitzt sie wie erstarrt weiter auf ihrem Platz.

Es liegt eine große Bedrückung im Raum. 

Die genaue Mitschrift dieser Krisenaufstellung mag ich, der Übersicht halber, jeweils für die verschiedenen Phasen wiedergeben. Du als Leser*in hast den Vorteil, dass ich hier schon offen lege, wer in der Stellvertretung was gesagt hat. 

Phase 1: Niemand weiß, für was er/sie steht 

Zum jetzigen Zeitpunkt in dieser Krisenaufstellung haben die Stellvertreter also keine Ahnung, für was sie stehen. Ich bitte alle, in die Stellvertretung zu spüren und in den Raum zu gehen. Wo auch immer es sie hinzieht. Der Zettel befindet sich ungelesen in der Hosentasche.

Die genaue Mitschrift dieser Aufstellung findest Du jeweils mit der blauen Schrift. Mir ist wichtig, dass Du an dieser Stelle Zugang zu der Mitschrift hast, ohne dass diese von mir interpretiert wurde. 

 

Die Heilung, die Angst und Ukraine stehen als erstes auf. Dann folgen der Schmerz, die alte Verletzung, Russland und die Macht.

Die Liebe bleibt sitzen. „Muss ich aufstehen?“ Fühlt sich verkrampft, nimmt alles nur schemenhaft wahr, isoliert und versteinert.

„Ukraine: Trauer, friert, es ist ihr kalt, muss weg, als die Macht kommt.

Alte Verletzung: will sich in Ecke verkrümeln, sucht bei der Heilung Schutz, ich möchte nicht beobachtet werden.

Heilung: hat Schauer, ihr ist kalt, unruhig, will beobachten und einen neutralen Platz.
Fühlt sich wie ein Hund, der die Herde unter Kontrolle halten will. Reagiert auf den Schmerz, der von Geheimnis spricht (lächelt, als der Schmerz spricht) geht auch rüber zum Schmerz, kann da stehen

Schmerz: ist weit außerhalb in der Ecke. Hat als einzige Zettel in BH (Herzseite) gesteckt, alle anderen haben den Zettel in Hosentasche. Fühlt sich wie in einer Hülle. Sagt: „Das Geheimnis bleibt bei ihr“, und: „Ich bleibe still.“

Russland: fühlt, sie hat etwas mit dem Schmerz zu tun. Ist das gut? Schlecht? Sie weiß es noch nicht. Fühlt Mut und Widerstand. „Ich fühle mich stark, wie ein Fels in der Brandung.“

Angst: findet sich in der Mitte wieder, möchte Überblick haben, ähnliches Gefühl wie die Heilung, hat aufgehorcht bei „Geheimnis“, fühlt auch Verbindung zu Russland, „Ich will nicht am Rand stehen.“

Heilung und Schmerz nähern sich an, Heilung will dann wieder zurück auf den vorherigen Platz.

Schmerz wird nervös, Spannungsgefühl, ist nicht angenehm.

Bild eines Auditoriums, welches auf den Schmerz schaut.

Macht sagt „Ich muss weg hier“

Heilung und alte Verletzung machen sich gegenseitig total nervös, alte Verletzung kann nicht weg.

Macht und Schmerz: Schmerz fühlt sich undurchdringlich, durch die Schutzschicht darf niemand durch. Die Macht fühlt das. Und fühlt sich nicht abgewiesen. Schmerz sagt: „Geh mal schön auf Deinen Platz.“

Alte Verletzung nähert sich Schmerz an. Schmerz sagt: „Da kommt ein Mensch. Mit Gesicht.“

Angst: Impuls, sich dem Schmerz zu nähern. Sagt: „Aber einer muss in der Mitte stehen.“

Liebe: Je mehr Bewegung stattfindet, desto mehr kommt sie aus der Erstarrung raus, bleibt aber noch sitzen.

 

Wie geht es mit dieser Aufstellung weiter?

Phase 2: Ich bitte alle, jeweils den eigenen Zettel zu lesen. Alle wissen zu dem Zeitpunkt also nur von sich selbst, für was sie stehen.

Meine Einladung an Dich, liebe Leser*in dieser Beschreibung einer Konfliktaufstellung:

Lies die Aussagen und Beschreibungen und mache Dir bewusst, das zu diesem Zeitpunkt die Teilnehmer zwar von sich selbst wissen, für was sie stehen. Sie haben aber (noch) keine Ahnung, wem sie begegnen bzw. für was die anderen stehen.

 

Alte Verletzung: „Bin überrascht, aber dadurch Unruhe erklärbar.“ Sagt zur Heilung: „Ich wünsche mir Frieden. Ich wünsche mir von Dir Frieden.“  Eine Annäherung wäre möglich, muss es aber nicht „schön“ machen.

Heilung an alte Verletzung: „Das ist nicht meine Aufgabe. Ich brauche auch Frieden. Eigentlich brauchen wir das Gleiche. Ich kann allein die Aufgabe nicht leisten.“ Das Hilfeangebot von der alten Verletzung „ist gut“.

Russland: „Frieden möchte ich auch. Auf jeden Fall! Ich fühle mich hilflos.“

Reaktion von Heilung: „Es geht nicht schnell.“

Liebe ist traurig, bleibt immer noch sitzen mit Trauer.

Angst: findet das Wort Frieden ansprechend, braucht Sicherheit, hat ein beunruhigendes Gefühl, dass Russland hilflos wird.

Macht: ist irritiert, fühlt hilflos, Annäherung an Russland hilft der Macht, geht ihr besser da, Russland geht es nicht so ganz gut damit.

Liebe: steht auf und geht zu Russland und der Macht. Russland fühlt Wärme, Macht fühlt Kälte, schauen sich alle an.

Macht: „Ich weiß gar nicht, ob mir einer helfen kann“

Heilung: „Es ist noch sehr viel zu tun und zu lernen“

Schmerz zu Macht: Du könntest auch bei mir stehen, wenn Du willst. Oder ich kann auch zu Dir kommen.

Schmerz geht zu Macht.

Macht fragt: „Aber was ist das Geheimnis?“

Schmerz antwortet: „Nichts besonderes, habt ihr alle.“

Heilung: bekommt ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit.

Liebe: Ihr ist eiskalt.

Schmerz und Macht nähern sich an.

Schmerz: weint, es löst sich etwas.

Schmerz möchte dann der Macht beistehen. Nehmen sich an die Hand. „Innerlich kommt es bei ihr an“, sagt die Macht.

Liebe: hat Impuls, zur Macht und Schmerz zu gehen.

Schmerz legt Hand auf den Rücken der Macht. An einer bestimmten Stelle schreit die Macht plötzlich laut auf, Panik.

Schmerz weicht zurück.

Angst sagt: „Der Schrei ist mein Ausdruck.“

Stück für Stück werden die Stellvertretungen offen gelegt

Phase 3: Ich bitte die Liebe, sich zu zeigen

Die Liebe zeigt sich. Es ist die Teilnehmerin, die zunächst ganz außen saß und keinen Bewegungsimpuls hatte. Sie fühlte sich nicht zugehörig.

Alte Verletzung: Ich habe damit (mit der Liebe) nicht so viel zu tun. Sitzt auf Boden, angelehnt an Wand, hat was mit Schwäche zu tun.

Russland: „Jetzt weiß ich, warum ich Wärme gespürt habe.“

Macht: fühlt sich von Liebe getrennt. Ich frage: Wirklich? Sie antwortet: Nein!

Ich gebe in den Raum: Mögen alle spüren, ob/wie sie in Verbindung zur Liebe kommen. Und frage: Was macht das mit Dir?

Heilung: „Ich vertraue ihr nicht. Ich weiß nicht, ob es reicht.“

Alte Verletzung: „Schön und wichtig, dass sie da ist.“ (Änderung zu oben!)

Ukraine: „Ich bekomme keine Verbindung zur Liebe.“

Macht: „Ich bin auch verbindungslos.“

Heilung: „Die Liebe ist noch viel zu schwach. Liebe soll in der Mitte stehen, so hat sie mehr Verbindung zu allen.“

Liebe: „Würde ich machen, aber wie soll das gehen?“

Phase 4: Ich bitte die Heilung, sich zu zeigen.

Alte Verletzung zur Heilung: „Oh, Dich hatte ich nicht mehr so im Blick.“

Liebe geht in die Mitte und möchte Verbindungen herstellen.

Phase 5: Alle Stellvertretungen werden offenbart.

Die Liebe gewinnt?

Alte Verletzung zur Liebe: „Bei mir musst Du Dir keine Sorgen machen. Ich habe eine Verbindung.“

Schmerz hat keine Verbindung zur Liebe. „Ich spüre nichts“ Hat als größtes Gefühl die Verbindung  zur alten Verletzung. „Es gibt noch ein Leben, es wird ein Leben geben.“

Alte Verletzung, Heilung und Schmerz gehen zusammen.

Heilung: „Ich bin eigentlich die Lösung. Aber es ist sowas Großes zu tun.“

Alte Verletzung ist mehr in Richtung Heilung als in Richtung Schmerz unterwegs.

Liebe fühlt sich als Anführerin. „Mir nach!“ Liebe sagt zur alten Verletzung: „Dich lassen wir zurück“

Alte Verletzung: „Nein. Ich bin da.“

Macht: „Hier steht die Macht.“

Liebe: „Die Macht ist machtlos.“

Angst stellt fest: „Der Hammer, dass die Macht mein Ausdruck ist.“

Ukraine: „Eigentlich geht es nicht um mich.“ Fühlt Erschöpfung und Trauer.

Russland: „Ich bin das russische Volk.“

Alte Verletzung: „Die Angst ist nicht allmächtig. Sie gehört dazu. Sie schützt einen manchmal auch.“

Krisenaufstellungen sind Friedensarbeit

Impuls von mir: Ist die Macht immer negativ? Es gibt auch „gesunde“ Macht. Was, wenn es keine missbräuchliche Macht ist?

Es steht noch etwas zwischen Macht und Liebe.

Heilung: Ich möchte so gern helfen.

Macht: ist traurig. „Ich kann es nicht annehmen“

Alte Verletzung fühlt Trotz. „Du kannst mich mal.“

Heilung: „Die Macht und die alte Verletzung müssten sich annähern.“

Plötzlich steht die Frage im Raum: Was ist, wenn die Liebe gewinnt?

Die Angst geht.

Die Mitschreibende spielt auf dem Handy das Lied „Die Liebe gewinnt“ von Brings an.

Die Aufstellung endet.

Krisenaufstellung – Meine Anmerkungen

Die Liebe hat keinen Platz im Krieg.

Die Teilnehmerin, die den Zettel mit der Aufschrift „Liebe“ gezogen hat, hatte ja zunächst keinen Bewegungsimpuls und blieb auf ihrem Platz sitzen. Die Liebe spielt also zunächst keine Rolle und hat keinen Platz im Aufstellungsfeld. Wie ändert sich die Welt, wenn die Liebe ihren Platz bekommt?

Und was wäre, wenn wir alle unsere eigene Machtgeschichte in uns klären?  Die Macht zeigt sich hier als Ausdruck der Angst. Lass uns klar fühlen, was wäre, wenn wir die Macht annehmen und dieses keine mißbräuchliche Macht ist. Wenn wir die Macht annehmen und Liebe in die Welt bringen.

Und was passiert, wenn unverarbeiteter Schmerz und alte Verletzungen gesehen werden und heilen können. Kann dann Frieden sein?

In meiner Arbeit mit Aufstellungen bewirken wir genau das. Nicht gesehener Schmerz und alte Verletzungen können heilen.

Möge sich auch durch diese Krisenaufstellung  Heilung, Liebe und Frieden in der Welt verbreiten.

Susanne Schwarz Praxis Köln

Ich bin Susanne Schwarz und liebe die Arbeit mit Aufstellungen.

Möchtest Du Deine Machtgeschichte klären, alte Verletzungen heilen und in die Liebe gehen?

Dann komm in meine Seminare oder in die Einzelarbeit.

Alle meine Angebote findest Du auf der Übersichtsseite Seminare / Termine